Die Sammlungen

Die Welt des Tanzes und des Balletts

Besonders in der Bibliothek wird der weite Bereich des Tanzes deutlich. Neben sakralen, antiken und ethnisch-geographischen Tanzformen bündelt ein weiterer Aspekt Volkstänze und Gesellschaftstänze. Der Ausdruckstanz entwickelte sich unter Begriffen wie Modern Dance bis hin zu anderen Bewegungs- und Bühnentanzformen wie Musicals, Jazz-, Film- und Stepptanz sowie Eis-Revuen und Akrobatik weiter. Tanzfotografien des deutschen Ausdruckstanzes, des amerikanischen Modern Dance sowie verschiedener internationaler Persönlichkeiten der neuen Tanzentwicklungen finden sich in diversen Konvoluten der Fotografiensammlung.

Das 17. bis 18. Jahrhundert ist geprägt von Bühnenszenen und -dekorationen, Ballettkostümen und Theatergebäuden, aber auch von höfischen und bürgerlichen Festveranstaltungen. Jean-Baptiste Lully, Marie Sallé, La Camargo, Jean George Noverre sowie Gaetano und Auguste Vestris sind mit anderen Persönlichkeiten neben einigen Gemälden besonders in der Druckgraphik vertreten. Eine dreidimensionale Vorstellung bieten barocke Porzellanfiguren, überwiegend aus den großen deutschen Manufakturen des 18. Jahrhunderts.

Das romantische und spät-romantische Ballett wird durch Gemälde, Zeichnungen, Druck-graphiken sowie Skulpturen und Porzellane repräsentiert. Unterschiedlichste Sammelstücke, Programmhefte, Archivalien und Handschriften gehören zu den Materialien über Fanny Elssler, Marie Taglioni, Fanny Cerrito und anderen Künstlern dieser Epoche. Beispielhaft finden sich zu Fanny Elssler neben teils handkolorierten Lithografien, Bronzeskulpturen und Porzellanen, auch bedeutsame Ölgemälde sowie ihre Ballettschuhe von 1843, getragen in einer Aufführung von "Giselle" in Hamburg.

Der klassisch-akademische Tanz bis zu den Ballets Russes ist geprägt von der hohen Technik Russlands. Auch hier findet sich in den Sammlungen ein breiter Bestand zu diversen Schulen oder Compagnien sowie zu wichtigen Persönlichkeiten dieser Zeit wie Marius und Marie Petipa, Olga Preobrajenska, Mathilde Kschessinska oder später dieser Tradition verpflichteten Tänzern der Sowjetunion wie Galina Ulanova und anderen. Neben Kunstgegenständen und Fotografien zählen besonders auch persönliche Dokumente, wie Tagebücher und Arbeits-materialien oder andere Archivalien zum Bestand, die teils aus früheren aber auch aus aktuellen Begegnungen von John Neumeier mit Persönlichkeiten des Tanzes stammen.

Die Ballets Russes von Serge de Diaghilew

Die Stimmung jener Tage muss phänomenal gewesen sein, als die Ballets Russes unter ihrem Impresario Serge Diaghilew Paris im Sturm eroberten. Im wiederbelebten Théâtre du Châtelet spielten sich am Abend des 19. Mai 1909 außergewöhnliche Szenen ab. Die farbenfrohe Sinnlichkeit und Dynamik des russischen Tanzensembles beeindruckte das Publikum, das rasch seine Lieblinge erkor und feierte. Ganz besonders fiel ein junger Tänzer auf, der die Zuschauer durch seine Ausstrahlung regelrecht hypnotisierte: Vaslaw Nijinsky.

Die erste Saison der Ballets Russes in Paris schrieb Ballettgeschichte, sie setzte in Ästhetik und Ausführung neue Maßstäbe, gipfelnd in Diaghilews Anspruch, die Künste zusammenzuführen. Ein Gesamtkunstwerk war geboren, dessen Wurzeln weit in die russische Tradition reichten und doch kosmopolitischer Natur waren und der eine euphorische Ballettbegeisterung in Europa und Amerika folgen sollte.

Eine Erfolgsgeschichte, ohne die das gegenwärtige Ballett nicht denkbar ist. Der Aufbruch in die Moderne: eine Erfahrung, die unser heutiges Verständnis von Überlieferung und Geschichte maßgeblich prägt.

Von Serge de Diaghilew über Anna Pavlowa und Tamara Karsawina, Michel Fokine, Léonide Massine und Bronislawa Nijinska sind die vielen Mitglieder bis hin zum späten Ballets Russes in den Sammlungen vertreten. In tausenden Kunstwerken und Fotografien, ungezählten Druckmaterialien und anderen Dokumenten ist diese Welt hier zu entdecken.

Dieser Bestand wurde um die Sammlung Chevalier Tony Clark dank dessen großzügiger Spende erweitert.

Vaslaw Nijinsky

Die Dokumentation von Leben und Werk des Tänzer-Choreografen Vaslaw Nijinsky ist sicher einzigartig und der Schwerpunkt – das Herz – der Sammlungen. Dieser verdeutlicht eindrücklich die Form- und Farbensprache der Ballets Russes sowie der Choreografien von Vaslaw Nijinsky. Zahlreiche Werke, von der Skulptur über Zeichnung bis zur Fotografie, zeigen die Phasen des Tänzers und des Choreografen. Korrespondenzen, Autografen und Lebensdokumente im Archiv sowie die Bestände der Bibliothek weisen auf seine Vita, seine Jugend, seine Erfolge und auf seine spätere Erkrankung hin.

Von besonderer Bedeutung ist die weltweit größte Sammlung der Zeichnungen von Vaslaw Nijinsky. Der einzigartige Umfang dieser Sammlung ermöglicht einen ausgezeichneten Zugang zum Werk Nijinskys als bildender Künstler. Die Zeichnungen sind in den Jahren 1918-19 in St. Moritz entstanden und, von der Kunstgeschichte neu wahrgenommen, inzwischen bei zahlreichen internationalen Ausstellungen zu sehen. Die Farbwelt, die Rhythmik und das Formenvokabular bilden Werkzyklen, die neben Vaslaw Nijinskys choreografischem Werk ihre Eigenständigkeit als Bildwerke der zeichnerischen Abstraktion einnehmen – und so den Blickwinkel auf diesen vielseitigen einzigartigen Künstler erneuern.

Die Sammlung konnte durch den Erwerb der Nijinsky Family Collection mit weiteren Zeichnungen, Kostümen, Lebensdokumenten und Korrespondenzen ergänzt werden.

>> Veröffentlichungen im "journal" der Hamburgischen Staatsoper

Die Kunstsammlung

Die Kunstsammlung umfaßt etwa 15.000 Titel von Ölgemälden bis Druckgraphiken, Skulpturen und Objekten von Bronzebüsten über Porzellanfiguren bis zu Terrakottaplaketten sowie eine Sammlung von Photomaterialien wie frühe Carte Visite und Carte Cabinet über Papierabzüge bis hin zu Photo-Postkarten.

Die Bibliothek

Die Bibliothek umfaßt einen systematisch gegliederten Bestand mit derzeit über 15.000 Titeln. Hierunter finden sich neben den klassischen Buchmaterialien auch wertvolle Einzelexemplare, wie illustrierte oder seltene Ausgaben. Besonders zu erwähnen sind Widmungsexemplare mit teils wertvollen Autographen quer durch die Ballettgeschichte sowie natürlich Sonderdrucke und Programme von Ballett-Compagnien und Opernhäuser die nicht im Buchhandel erschienen.

Das Archiv

Das Archiv gliedert sich Epochen übergreifend in eine Dokumentensammlung und in eine Dokumentation mit geschätzten 4.500 Titeln zu den verschiedensten Tanzpersönlichkeiten. Diese umfassen sowohl Autographen, Korrespondenzen, Lebensdokumente und Werkstücke als auch Sekundärdokumente wie bspw. Text- und Bildmaterialien die nicht dem Bibliotheksbestand zuzuordnen sind. Hierzu gehört auch eine Sammlung von Kostümen, Accessoires und Varia.

Werkverzeichnis John Neumeier

Das Werkverzeichnis mit John Neumeiers Arbeitsmaterialien dient als Grundlage neuer Schöpfungen und ist ein Spiegel der zeitgenössischen Ballettgeschichte. Es dokumentiert die Werke in den Phasen ihrer Konzeption, Entstehung und Entwicklung sowie zahlreiche originale Bühnenbild- und Kostümentwürfe von John Neumeier und anderen namhaften Künstlern. Neben Druckwerken zählen audiovisuelle Medien von Proben, Premieren, Vorstellungen, Ballett-Werkstätten und der alljährlichen Nijinsky-Gala zum Bestand. Plakate, Programmhefte, Kalender, Flyer und Postkarten der Aufführungen mit dem Hamburg Ballett in Hamburg und auf weltweiten Tourneen sowie von Aufführungen seiner Werke durch andere internationale Compagnien werden gesammelt. Zur Rezeption zählen neben der Erwähnung in Büchern und Zeitschriften besonders die Zeitungsausschnitte sowie audiovisuelle Mitschnitte von Vorträgen, Interviews und TV-Beiträgen, die diese Dokumentation der Geschichte John Neumeiers und des Hamburg Balletts ergänzen.

Die Sammlungen enthalten auch die Lebensdokumente von John Neumeier. Diese Dokumente der privaten Lebensführung, wie Tagebücher, Personalpapiere, Belege der Schulzeit und des Studiums, Ehrungen, Porträts, Privatfotos sowie Dokumente, die aus beruflicher, organisatorischer oder gesellschaftlicher Tätigkeit stammen, aber auch zahlreiche signierte Dokumente und Korrespondenzen mit unterschiedlichsten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens erweitern in der Kombination mit den Kunstsammlungen und der Bibliothek den Blick auf den Künstler und die Person John Neumeier. Die Sammlungen beeinflussen sich gegenseitig und sind lebendiger Bestandteil eines Künstlerhauses, geprägt durch die Persönlichkeit John Neumeiers. Der Fortbestand und die Nutzbarmachung dieser einmaligen Einrichtung wird durch die Stiftung John Neumeier gesichert.